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Gefährlichkeit

Nach langer Abwesenheit müssen wir uns wieder an die Anwesenheit von Wölfen in unserer Nachbarschaft gewöhnen. Die meisten Menschen kennen den Wolf nur aus Tierparks bzw. Zoos, aus alten Geschichten, Mythen und Märchen oder aus Abenteuerfilmen. Das bis heute gängigste Bild, welches Geschichten zeichnen, ist das „vom bösen Wolf“. Dieses Bild entstand vor allem im Mittelalter in Europa als Übergriffe auf Nutztiere, Konkurrenz um Beutetiere und Angst vor Tollwut zu einer negativen Einstellung der Menschen gegenüber dem Wolf führten. Dieses negative Bild beeinflusst bis heute die Art und Weise wie der Wolf häufig wahrgenommen wird und sorgt für Ängste und Vorurteile.

Gefahr für den Menschen?

Der Mensch zählt bekanntermaßen nicht zur natürlichen Beute von Wölfen, doch viele Menschen befürchten, dass sich das ändern könnte, wenn Wölfe sehr ausgehungert sind, keine natürlichen Beutetiere mehr finden oder lernen, dass vom Menschen keine Gefahr ausgeht. Diese Befürchtung ist unbegründet, denn wildlebende Wölfe sind oft sehr hungrig, ohne dass es zu Übergriffen auf Menschen kommt. Der Wolf wird im Welpenalter durch die Elterntiere, die das Futter für die Jungen herantragen, auf sein Beutespektrum geprägt, der Mensch zählt nicht dazu.

Wölfe verhalten sich von Natur aus vorsichtig dem Menschen gegenüber, weshalb sie selbst in unserer Kulturlandschaft ohne Jagddruck eine Begegnung mit den Menschen meiden. Die ausgeprägte Vorsicht gegenüber potenziellen Feinden und Gefahren ist eine bewährte Überlebensstrategie des Wolfes. Meistens weichen die Wölfe aus, noch ehe wir sie bemerkt haben. Deutlich wahrscheinlicher ist im Wolfsgebiet eine zufällige Beobachtung zum Beispiel vom Auto aus, wenn ein Wolf eine Straße überquert.

Umfassende Informationen zum Gefahrenpotenzial von Wölfen liefert die 2002 vom Norwegischen Institut für Naturforschung (NINA) veröffentlichte Studie »The fear of wolves: A review of wolf attacks on humans«. Darin wurden Berichte über Wolfsangriffe auf Menschen und ihre Ursachen in Skandinavien, Mitteleuropa, Asien und Nordamerika zusammengetragen und ausgewertet. Demnach sind Übergriffe von Wölfen auf Menschen grundsätzlich sehr selten und treten nicht spontan auf. Aus Europa sind seit Mitte des 20. Jahrhunderts neun Vorfälle, bei denen Menschen von einem freilebenden Wolf getötet wurden, bekannt. In fünf dieser Fälle hatten die Tiere Tollwut. In der Vergangenheit gab es nur einzelne Fälle, in denen gesunde Wölfe einen Menschen angegriffen oder gar getötet haben. Wolfsangriffe auf Menschen lassen sich vor allem auf drei Ursachen zurückführen: Tollwut, Provokation und Futterkonditionierung.

Tollwut, eine tödlich verlaufende Viruserkrankung, die in früheren Zeiten als Hauptursache für Wolfsangriffe galt, ist in Deutschland seit 2008 ausgerottet und gilt auch in den angrenzenden Ländern durch die Immunisierung des Fuchses als weitestgehend bekämpft. Die Tollwutsituation wird in Deutschland und seinen Nachbarländern ständig beobachtet. Bei einem eventuell erneuten Auftreten der Krankheit werden entsprechende Gegenmaßnahmen zur Bekämpfung, wie die orale Immunisierung des Fuchses als Hauptüberträger mittels Impfköder, ergriffen.

Auch die Provokation eines Wolfes ist unter den heutigen Gegebenheiten eine eher unwahrscheinliche Gefahrenursache, da sie laut der Studie vor allem Tierhalter betraf, die mit Knüppeln oder Heugabeln Wölfe in die Enge trieben, um ihre Nutztiere zu schützen bzw. Jäger die Welpen aus dem Bau holten.

Die in unserer gegenwärtigen Kulturlandschaft am ehesten mögliche Ursache für gefährliches Verhalten von Wölfen gegenüber Menschen ist eine starke Gewöhnung an die Nähe von Menschen (Habituation) verbunden mit positiven Reizen wie z. B. Füttern (Futterkonditonierung). Futterkonditionierte Wölfe unterscheiden sich dahingehend von anderen Wölfen, dass sie sich aufgrund von positiven Reizen für Menschen interessieren und aktiv deren Nähe suchen. Bleiben die erwarteten positiven Reize (z.B. Futter) aus, kann das dazu führen, dass die betroffenen Wölfe aufdringliches, dreistes und schlimmstenfalls aggressives Verhalten entwickeln.

Über die Erfassung und Auswertung von Wolfssichtungen soll das Wolfsmonitoring sicherstellen, dass ein Wolf, der auffälliges Verhalten zeigt, frühzeitig erkannt wird. Dann können entsprechende Maßnahmen, wie gezielte Vergrämungsaktionen und im Einzelfall auch der Abschuss eines einzelnen Tieres eingeleitet werden. Voraussetzung für ein funktionierendes Monitoring ist jedoch, dass Hinweise zeitnah an das Wolfsmanagement gemeldet werden, denn dieses kann nur auf bekannte Vorkommnisse reagieren.
In Sachsen nehmen die Fachstelle Wolf, das LUPUS Institut für Wolfsmonitoring und -forschung und die Landratsämter Meldungen entgegen.

Wölfe in der Kulturlandschaft

Um Missverständnissen vorzubeugen: Alle Wildtiere, also auch Wölfe, die in Kulturlandschaften leben, müssen sich zu einem gewissen Maße an die menschliche Anwesenheit gewöhnen (Habituation). Sie lernen Menschen und menschliche Aktivitäten im gewissen Umfang zu tolerieren. Schließlich kennen die in Ländern wie Spanien, Polen oder auch Deutschland aufgewachsenen Wölfe Menschen. Sie sind an deren Geruch, Geräusche und vereinzelt auch an deren Anblick gewöhnt. Eine solche Gewöhnung führt nicht per se zu problematischem Verhalten. Wenn Wölfe die Erfahrung gemacht haben, dass die Wahrnehmung menschlicher Präsenz ohne negative Konsequenzen verläuft, reagieren sie bei Begegnungen mit Menschen und Fahrzeugen in der Regel vorsichtig, aber nicht extrem scheu. Sie bleiben dem Menschen gegenüber argwöhnisch und nähern sich im Regelfall nicht aktiv an. Sie zeigen sich typischerweise desinteressiert und traben meist ohne übermäßige Hast davon.

Wölfe, die in Kulturlandschaften leben, müssen damit umgehen, dass es überall in ihrem Lebensraum menschliche Siedlungen gibt. Es bleibt daher nicht aus, dass sie – wie andere Wildtiere auch - an diesen vorbei laufen oder - bei Streusiedlungen - auch gelegentlich hindurch. Das kommt auf Grund der überwiegenden Nacht- und Dämmerungsaktivität des Wolfes vor allem im Schutze der Dunkelheit vor. Die Haltung von Schafen und Ziegen in Siedlungen und an Gehöften ohne geeignete Umzäunung bietet daher insbesondere über Nacht keinen sicheren Schutz. Vereinzelt können Wölfe jedoch auch im Hellen im Siedlungsbereich gesehen werden, ähnlich wie dies von Füchsen, Rehen oder Wildschweinen bekannt ist.
Dies gehört ebenso zum normalen Verhaltensrepertoire, wie die Tatsache, dass Jungwölfe durch ihre Neugierde und Naivität bisweilen eine geringere Fluchtdistanz zu Menschen aufweisen als erwachsene Wölfe.
Dieses Verhalten macht die in der Kulturlandschaft lebenden Wölfe nicht gefährlicher als ihre Artgenossen, die in menschenleeren Gebieten leben oder die bejagt werden, wie auch Erfahrungen aus anderen Ländern belegen. Wichtig ist, dass die Wölfe keine direkten positiven Erfahrungen mit der Nähe von Menschen verknüpfen (Konditionierung, s. oben). Wolfsgebiete, die ähnlich dicht mit Menschen besiedelt sind wie die Wolfsgebiete in Deutschland, und in denen ebenfalls keine (legale) Jagd auf Wölfe stattfindet, gibt es zum Beispiel in Italien und Polen. Auch in diesen Gebieten gibt es keine Hinweise darauf, dass Wölfe ihre Vorsicht vor Menschen verlieren. Gleiches gilt für Wölfe, die in Nationalparks mit hohem Besucheraufkommen aufwachsen und die keine negative Erfahrung mit Menschen gemacht haben.

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