Das Wolfsterritorium
Jedes Elternpaar beansprucht ein eigenes Territorium, das es gegen fremde geschlechtsreife Wölfe verteidigt. Durch ihre ausgesprochene Territorialität verteilen sich vergleichsweise wenige Wölfe auf großer Fläche. Die Größe der Territorien hängt vor allem von der verfügbaren Nahrung ab. Ein Wolfsterritorium muss jeweils so groß sein, dass die Elterntiere hier jedes Jahr genug Beute machen können, um ihren Nachwuchs großzuziehen. Je weniger Beutetiere in einer Region leben, desto größer müssen die Wolfsterritorien sein. In Mitteleuropa liegen die in Studien ermittelten Reviergrößen oft zwischen 100–350 km². In Gebieten mit sehr geringer Beutetierdichte wie z.B. in Nordsibirien und Nordkanada sind Territorien von über 1.000 km2 nachgewiesen. Dementsprechend variieren die Wolfsdichten von 0,1 Wölfen / 100 km2 in wildarmen Gebieten bis hin zu 9 Wölfen / 100 km2 in besonders wildreichen Regionen. In Sachsen beträgt die Wolfsdichte ca. 2-3 Wölfe/ 100 km2. Diese Dichte ist vergleichbar mit anderen Wolfsgebieten in Mitteleuropa. Wölfe sind also räumlich so organisiert, dass sie ihre Nahrungsgrundlage nachhaltig nutzen. Die ersten Ergebnisse von mit Sendehalsband ausgestatteten Wölfen zeigten zudem, dass auch Rückzugsräume in der von Menschen intensiv genutzten Kulturlandschaft wichtig sind für die Lage und Größe der Territorien.
Da die Jungwölfe aus dem elterlichen Territorium in der Regel mit Erreichen der Geschlechtsreife abwandern, und jedes Jahr neue Welpen geboren werden, bleibt die Anzahl der Wölfe in einem Territorium relativ konstant. Die Größe des Muskauer Heide Rudels in Sachsen schwankte von 2000 bis 2005 zwischen vier und zehn Tieren auf einer Fläche von geschätzt 250-300 km². Die telemetrische Überwachung der Neustädter Wölfin 2004 und 2005 ergab eine Territoriumsgröße von mehr als 240 km², auf denen sie im Jahr 2005 mit einem Rüden und 5 Welpen lebte. Das Revier des ebenfalls telemetrisch überwachten Vaterwolfes des Milkeler Rudels war im Jahr 2009 sogar über 300 km² groß, wo er zu dieser Zeit mit seiner Fähe, 3 Welpen und mindestens einem Jungwolf aus dem letzten Jahr lebte. Die durchschnittliche Größe von Wolfsterritorien in Deutschland beträgt 200 km2.
Abwandernde Jungwölfe legen auf der Suche nach einem eigenen Partner und Territorium nicht selten Strecken von mehreren hundert Kilometern zurück, wie es im Frühjahr 2009 die beiden mit einem GPS-GSM Sender versehenen Jährlingswölfe „Karl“ und „Alan“ eindrucksvoll gezeigt haben. Zuerst wanderte „Karl“ über 150 km Luftlinie zum ehemaligen Truppenübungsplatz Jüterbog im brandenburgischen Fläming, um aber nach insgesamt zweieinhalb Wochen Abwesenheit fast auf der gleichen Route wieder in sein Elternterritorium zurückzukehren. Dann legte sein Bruder „Alan“ auf seinem Weg durch ganz Polen bis hinein nach Litauen und schließlich Weißrussland über 1500 km Strecke zurück. Diese Erkenntnisse wurden vom LUPUS Institut im Rahmen des vom Bundesamt für Naturschutz finanzierten Forschungs-und Entwicklungsvorhabens „Pilotstudie zur Abwanderung und Ausbreitung von Wölfen in Deutschland“ gewonnen. Dieses Ergebnis hat einmal mehr bestätigt, dass einzelne Wölfe auch weit entfernt von etablierten Wolfsgebieten auftauchen können.