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Nahrungsanalyse

Zur Erfassung der Nahrungszusammensetzung der Wölfe in Deutschland werden Wolfslosungen (Kot) eingesammelt und im Senckenbergmuseum für Naturkunde in Görlitz aufbereitet. Dabei werden die Losungen in einem Sieb gewaschen, sodass nur die unverdaulichen Nahrungsbestandteile (Haare, Knochen, Zähne oder Klauen der Beutetiere) übrig bleiben. Anhand der unverdaulichen Nahrungsbestandteile wird die Tierart und teilweise auch das Alter des Beutetieres bestimmt. Über verschiedene Formeln ist es möglich die tatsächlich gefressene Beutetiermasse (Biomasse) zu berechnen.
Weitere Aussagen über Alter und Kondition der Beutetiere können über die Auswertung von Rissen getroffen werden. Das Alter des gerissenen Beutetieres wird über den Stand des Zahnwechsels, Zahnabnutzung und Jahreslinien im Zahnzement bestimmt. Die physische Kondition der gerissenen Beutetiere kann neben der Erfassung von Merkmalen, die auf eine Krankheit- oder Verletzung hinweisen, über den Fettgehalt des Knochenmarks bestimmt werden.

Nahrungsökologie des Wolfes in Sachsen von 2001 bis 2016

Holzapfel M., Kindervater, J., Wagner C. & Ansorge H. (Senckenberg Museum für Naturkunde Görlitz)

Seit 2001 werden im Zuge des Wolfsmonitorings kontinuierlich Wolfslosungen (Kot) gesammelt, um die Ernährung der Sächsischen Wölfe und eventuelle Veränderungen der Ernährungsgewohnheiten zu dokumentieren. Es wurden 3501 Losungen untersucht und im Hinblick auf die Nahrungszusammensetzung ausgewertet. Dafür werden die in der Losung enthaltenen, unverdaulichen Reste, wie Haare, Knochenfragmente oder Zähne, den entsprechenden Beutetierarten zugeordnet, um dann die tatsächlich verzehrten Anteile pro Beutetierart am Speiseplan der Wölfe zu berechnen.

Nahrungszusammensetzung

Nahrungsanalyse_bis_2016
Biomasseanteil an der Wolfsnahrung (%) 

Wie für Wolfsvorkommen in wildreichen Gebieten typisch, besteht die Hauptnahrung der Sächsischen Wölfe aus wildlebenden Huftieren, welche 94,7 % der verzehrten Biomasse ausmachen. Das Reh bildet dabei mit über 50 % den Hauptnahrungsbestandteil, gefolgt von Rothirsch und Wildschwein.

Die vom Menschen angesiedelten Arten, Mufflon und Damhirsch, bilden nur einen sehr geringen Teil der Wolfsnahrung. Das Mufflon ist inzwischen aus dem Untersuchungsgebiet weitgehend verschwunden, da es hier keine Möglichkeit hat, dem Wolf auszuweichen oder zu entkommen. Seine typische Fluchtstrategie, das Ausweichen in steile Felsen, konnte das Mufflon gegenüber den Wölfen in der flachen Lausitz nicht anwenden.
Eine weitere Nahrungskategorie stellen die Hasenartigen, Feldhase und Wildkaninchen, dar, welche einen Anteil von 3,4 % an der Nahrung ausmachen. Haustiere und Kleinsäuger kommen regelmäßig in der Wolfsnahrung vor, machen jedoch nur einen sehr geringen Teil an der verzehrten Biomasse aus. Kleinsäuger (vor allem Wühlmäuse) sind aufgrund ihrer geringen verwertbaren Masse eher als Gelegenheitsbeute anzusehen. Bei den in der Nahrungsanalyse festgestellten Haustieren handelt es sich vorwiegend um Schafe. Des Weiteren konnten gelegentlich mittelgroße Säuger wie Nutria, Fuchs und Marderhund; Vögel, Fische und Früchte festgestellt werden. Hierbei handelt es sich wahrscheinlich größtenteils um Gelegenheitsbeute oder Aas, bei den Früchten handelte es sich zumeist um Äpfel.

Anteil von Jungtieren an der Nahrung der Wölfe

Anteil Jungtiere

Die Wölfe in der Lausitz bevorzugen deutlich Rothirschkälber gegenüber ausgewachsenen und wehrhafteren Hirschen. Rehe dagegen werden nicht nach dem Alter selektiert, der Anteil der Rehkitze an der Nahrung der Wölfe entspricht also etwa dem Anteil der Kitze am Gesamtbestand der Rehe.

Die Daten reichen noch nicht aus, um eine Aussage über die Selektion junger gegenüber ausgewachsenen Wildschweinen zu treffen. Es ist jedoch anzunehmen, dass juvenile Wildschweine deutlich bevorzugt werden. Dafür sprechen die Ergebnisse vergleichbarer Untersuchungen aus Polen und Italien und der erhöhte Wildschweinanteil an der Wolfsnahrung im Frühjahr, wenn besonders viele Frischlinge zur Verfügung stehen.

Entwicklung der Nahrungszusammensetzung im Jahresverlauf

Betrachtet man die Zusammensetzung der Wolfsnahrung im Jahresverlauf, fällt auf, dass Wildschweine vor allem im Frühling, wenn Frischlinge eine leichte Beute darstellen, erlegt werden. Im Sommer hingegen werden vor allem Rothirschkälber bevorzugt. Das Reh wird das ganze Jahr über gleich genutzt. In den ersten Jahren, nachdem die Wölfe wieder nach Deutschland zurückkamen, war erkennbar, dass der Anteil des Rehs deutlich anstieg und anschließend auf  relativ gleichbleibendem Niveau blieb. Der Rothirschanteil dagegen sank nach den ersten beiden Jahren des Beobachtungszeitraums auf ein relativ niedrigeres Niveau, wohingegen der Anteil des Wildschweins keinem erkennbaren Trend folgt und deutlichen Schwankungen unterliegt. Diese sind zum größten Teil auf die Wetterbedingungen im Winter und Frühjahr und das Nahrungsangebot für das Schwarzwild zurückzuführen. So sind beispielsweise die Anteile des Wildschweins deutlich höher, wenn durch ein hohes Nahrungsangebot im Herbst (Eicheln, Feldfrüchte,…)  und einen vergleichsweise milden Winter im folgenden Frühjahr sehr viele leicht zu erbeutende Frischlinge zur Verfügung stehen.

Unterschiede in der Nahrungszusammensetzung einzelner Wolfsrudel der Lausitz

Zur Ermittlung von Unterschieden in der Ernährung unterschiedlicher Wolfsrudel dienten 1275 Losungen, welche zwischen Mai 2005 und März 2014 gesammelt wurden. Die Losungen entstammen vier Lausitzer Rudeln, welche sich zwischen 2005 und 2011 etabliert haben. Zur Ermittlung der Nahrungsökologie wurden die Frequenzen und verzehrten Biomassen der Beutearten in den Losungen der Wölfe ermittelt.

Die Hauptbeutetierart aller betrachteten Rudel bildet das Rehwild (Biomasseanteil 42 % – 50 %). Am zweit- und dritthäufigsten traten, je nach Rudel, Schwarzwild (Biomasseanteil 18 % – 29 %) und Rotwild (Biomasseanteil 11 % – 34 %) in Erscheinung. Eher sporadisch wurde dagegen das Dam- und Muffelwild nachgewiesen. Insgesamt bilden die wildlebenden Huftiere den mit Abstand größten Anteil an der Wolfsnahrung (Biomasseanteil 92,7 % – 96,7 %). Weitere, recht häufig auftretende Kategorien sind die Hasenartigen und die Kleinsäuger. Allerdings spielen sie aufgrund ihrer geringen verzehrten Biomasse kaum eine Rolle für die Ernährung der betrachteten Rudel. Besonders hervorzuheben ist allerdings der Biber der, für Deutschland einmalig, im Nahrungsspektrum des Königsbrücker Heide Rudels mit einer verzehrten Biomasse von immerhin 7,2 % in Erscheinung tritt.

Beim Vergleich der Nahrungsspektren der vier Wolfsrudel konnten diverse Unterschiede in Bezug auf die Anzahl von Beutearten im Nahrungsspektrum und die Rangfolge der Hauptbeutearten Schwarz- und Rotwild festgestellt werden. Weiterhin konnte festgestellt werden, dass bei manchen Rudeln die Hauptbeuteart Rehwild deutlich hervortritt, während sie bei anderen Rudeln nur leicht mehr als Rot- und Schwarzwild in Erscheinung tritt. Allerdings konnten auch für alle Rudel Gemeinsamkeiten nachgewiesen werden. So spielen z. B. Haustiere und pflanzliche Nahrung bei keinem Rudel eine erhebliche Rolle in der Nahrung.

Generell ergaben sich in der durchgeführten Untersuchung keine Hinweise darauf, dass die Etablierungszeitpunkte einen nennenswerten Einfluss auf die Nahrungsökologie von Wolfsrudeln haben. Vielmehr gibt es Hinweise, wonach zu vermuten ist, dass bestimmte Angewohnheiten über Generationen übermittelt sind (z. B. Einzeljagd) und andere wiederum durch individuelle Vorlieben der Rudelmitglieder bestimmt sind (z. B. Häufigkeit bestimmter Nebenbeutetierarten wie Kleinsäuger und Hasenartige im Nahrungsspektrum).

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